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Stand: 24.08.2007   Update: 27.09.10


LeanSteer

LeanSteer-LenkungBegleitet von einem riesigen, professionell inszenierten Medienecho präsentiert Segway Inc. am 14. August 2006 ihre zweite Fahrzeuggeneration, die Modelle i2 und x2. Die Berichterstattung ist gewaltig, als Folge schnellt die Zahl der Leser dieses Erfahrungsberichtes vorübergehend auf über 2000 täglich empor. Das komplette Fahrzeugprogramm von Segway Inc. wird von einem Tag auf den anderen ausgetauscht, ein einmaliger Vorgang, solange ich Technologie-Firmen beobachte. Insgesamt ein überzeugender, gut vorbereiteter Produkt-Launch, nur die Webseiten von Segway Deutschland brauchen Monate, um sich anzupassen.

Der Drehgriff am Lenker ist nun verschwunden, das Lenken wird durch seitliche Körperbewegungen gesteuert, Segway nennt das LeanSteer. Dabei gleichen sich Neigung und Zentrifugalkraft aus, so dass der Fahrer weder nach innen noch nach außen kippen kann. Dr. Dierks vom Segwaypoint Hamburg führt mir seinen i2 vor und gibt mir Gelegenheit zum Ausprobieren. Ich bin schnell überzeugt, die Kurvenfahrten sind natürlicher und dynamischer. Die Fahrt über Unebenheiten ist spürbar ruhiger, da die Lenkstange jetzt seitlich beweglich ist und deshalb den Erschütterungen der Plattform nicht mehr folgen muss. Kinderkrankheiten der ersten Generation sind ausgemerzt (gut sichtbare Kontroll-LEDs, längere Kontakte für den Ladeanschluss, luftdichte Reifen mit Schlauch), es gibt eine Reihe neuer Funktionen (Tacho, km-Zähler, Wegfahrsperre, Diebstahlwarnung) und ein ansprechenderes Design.

Wo ist der Haken?
- Die Lenkstange kann nicht mehr zur Befestigung der Seitentaschen genutzt werden, die neuen Transportlösungen gefallen mir schlechter.
- Das Fahrzeuggewicht hat noch einmal 10 kg zugelegt.
- Mit dem Drehgriff verschwand zwangsläufig auch der Folgemodus (Power-Assist) zum Überwinden von Treppen und Hindernissen.
- Auf schrägem Untergrund darf man den Lenker nicht loslassen. Er muss immer senkrecht gehalten werden, sonst erfolgt eine unbeabsichtigte Drehung.
- Segway liefert immer noch keine Parkständer, obwohl sie für Jahresende 2006 versprochen waren. Mit dem geplanten Parkständer konnte man sich die Finger klemmen, Segway hat ihn nie ausgeliefert. Schwach, dass immer noch kein Ersatz gefunden wurde, aber wenigstens bieten inzwischen Fremdhersteller brauchbare Lösungen.
- Realisiert wird LeanSteer mit einem Zusatzaggregat auf der Plattform, die bisherige Steuerungs-Elektronik wird nahezu unverändert weiterbenutzt. Das hat sicher Entwicklungskosten gespart, mir hätte eine integrierte Lösung aber besser gefallen.

Insgesamt halte ich die zweite Generation für eine tolle Weiterentwicklung. Der Segway ist technisch ausgereift, das Entwicklerteam um J. Douglas Field eindeutig die stärkste Abteilung in der Firma, eben eine Dean-Kamen-Company. Trotzdem ist mein Wunschzettel noch nicht ganz leer (Gewichtsreduzierung, integriertes Vorder- und Rücklicht,  schnellere Batterieladung, 12V-Anschluss für Zubehör, Radmotor ohne jaulendes Getriebe).

14.2 Upgrade

Ein neu entdeckter Software-Fehler, der zwar nur unter äußerst seltenen Extrembedingungen auftrat, dann jedoch durch plötzliche Drehrichtungsumkehr der Motoren Stürze verursacht, zwingt Segway Inc. im September 2006 zum kostenlosen Update sämtlicher bisher ausgelieferten Fahrzeuge. Für alle Beteiligten eine umständliche und aufwändige Prozedur. Immerhin bleibt mir das Einschicken nach Amerika erspart, es gibt einen Update-Termin beim Hamburger Segwaypoint. Den muss man aber exakt einhalten, weltweit kursieren nur wenige der Spezial-Laptops, mit denen das Update ausgeführt wird. Bei einem mitgebrachten p133 gelingt das Update nicht, der versprochene Wiederholungstermin hat bis heute nicht stattgefunden.

Für die stolzen Besitzer der gerade frisch gelieferten i2 ist die Sache noch ärgerlicher. Der i2 muss zurück in die USA zum Werk des Herstellers. Servicefreundlichkeit sieht anders aus, zumal über die drahtlose ZigBee-Funkschnittstelle des i2 ein ortsunabhängiges Update realisierbar wäre.

Segway-Ladekabel mit LED

Ladekabel im Betrieb
Ladekabel Gesamtansicht

An den Segways der ersten Generation wird vielfach die Position der Ladekontrolllämpchen kritisiert. Sie werden beim Laden durch den Anschlußstecker verdeckt und sind deshalb nur mühsam ablesbar. Als Abhilfe habe ich mir ein Ladekabel mit integrierter Leuchtdiode einfallen lassen. Die leuchtet, solange mindestens eine der Batterien mit Ladestrom versorgt wird. Damit ist der jeweilige Ladezustand sofort sichtbar. Das Kabel funktioniert an allen Segway-Modellen der ersten Generation (i167, i170, i180, p133, XT). Da die Idee bei anderen Segway-Fahrern gut ankam, habe ich gleich eine Kleinserie der Kabel aufgelegt, in zwei verschiedenen Längen: 1,5m und 3m. Wer also selbst Interesse an so einem Kabel hat, kann es hier einfach per Mail bestellen.

Serien-Nummern

Segway-Geburtsurkunde

Jeder Segway besitzt eine individuelle, 12-stellige Serien-Nummer bzw. Fahrgestell-Nummer. Sie befindet sich auf dem Karton der Originalverpackung, auf einem Aufkleber an der Rückseite der Plattform und zusätzlich noch einmal von unten in die Plattform eingraviert (nur sichtbar, wenn die vordere Batterie abgeschraubt wird). Was sagt die Serien-Nummer aus? Nach Analyse einer Vielzahl von Nummern bin ich von folgender Struktur überzeugt: JJ2WW1SSSSSS.  Dabei bedeuten:
JJ Herstellungsjahr (z.B. 05 = 2005)
 2 Bisher immer eine "2"
WW Herstellungswoche (z.B. 26 = 26. Kalenderwoche, also Mitte des Jahres)
 1 Bisher immer eine "1"
SSSSSS Eigentliche Serien-Nummer, die im März 2002 (2001 ist ein Druckfehler in der Geburtsurkunde) mit 000001 begann und mit jedem neu produzierten Fahrzeug um eins hochgezählt wird, unabhängig vom gerade gefertigten Modell.

Man kann also anhand der Serien-Nummer das Alter jedes Segways bestimmen und so eventuelle Mogeleien beim Gebrauchtgerätehandel aufdecken. Und man bekommt einen Eindruck vom Verkaufs-(Miss-)Erfolg des Produktes. Folgende Stückzahlen  wurden produziert:
Bis Mitte 2002:      350 Stück
Bis Mitte 2003:    4300 Stück,    76 pro Woche
Bis Mitte 2004:  10200 Stück,  113 pro Woche
Bis Mitte 2005:  15000 Stück,    92 pro Woche
Bis Mitte 2006:  22000 Stück,  134 pro Woche
Bis Mitte 2007:  32300 Stück,  198 pro Woche

Das relativiert so manche Verkaufsaussage. Ein durchschnittliches jährliches Wachstum von über 50% kann ich nur mit Mühe erkennen (vgl. 4. Absatz der Pressemitteilung) und 40000 bis Anfang 2006 verkaufte Geräte (Seite 27, letzte Spalte) überhaupt nicht. Vielleicht wurden die Segways zum Zählen vor einen Spiegel gestellt? Ich denke, dass solche Fehlinformationen den Erfolg des geplanten Börsenganges eher gefährden als fördern.

Mein Segway

Läuft und läuft und läuft. Immer noch, ohne dass je ein Ersatzteil benötigt wurde (von den Batterien einmal abgesehen). Zweifellos "good engineering". Die Gebrauchsspuren nehmen aber zu. Ein Schutzblech ist inzwischen eingerissen und die Räder verloren immer schneller Luft. Das unvermeidbare Überfahren von Scherben und spitzen Steinen hat doch zu einer Reihe kleiner Verletzungen des schlauchlosen Reifens geführt. Zuletzt  musste ich wöchentlich nachpumpen. Daraufhin habe ich einen Tipp aus dem Segwaychat aufgegriffen und das Reifendichtmittel Slime ausprobiert. Es hilft! Nicht perfekt, aber immerhin brauche ich nun erst nach etwa vier Wochen wieder zur Tankstelle.

Einmal hat sich die Elektronik "aufgehängt". Erst nach einem Total-Reset durch Ausbauen der Batterien (auf offener Straße) ließ sich der Segway wieder starten.

Unlocated FaultUnd der "unlocated fault" kehrte im Juli 2007 zurück. Also wieder Fahrzeug nach Italien einschicken, dort die Fehlerbedingung zurücksetzen lassen und warten, warten, warten. Segway hat nämlich inzwischen eine verbesserte Serviceablauforganisation. Gute Idee! Mit RMA-Nummernvergabe, Pakete ohne RMA-# werden gleich wieder unbearbeitet zurückgeschickt. Und zu den "new procedures" gehört es auch, dass die Rücksendung erst erfolgt, wenn die Verbuchung des Zahlungseinganges über die Reparaturkosten abgeschlossen ist ("I am not able to release a shipment out of the system if payment is not completed"). Safety first ist eben oberstes Motto bei Segway, kommt noch vor Kundenorientierung. Nur bräuchte ich zum Bezahlen natürlich erstmal eine Rechnung. Die müßte Segway Deutschland ausstellen, da ich ein Kunde aus deren Einzugsgebiet bin. Logisch, und dank moderner Kommunikationstechnik theoretisch auch möglich. Klappt aber nicht. Als ich 14 Tage nach Fertigstellung der Reparatur immer noch weder Zahlungsbetrag noch Bankverbindung kenne, verhehlt der Tonfall meiner zweiten Nachfass-Email nicht, wie angepestet ich bin. Segway Italien sendet das Paket am folgenden Tag zurück. Danach kommt auch die Rechnung. Einschließlich Fracht kostet der ganze Spaß € 557,37. Wie bloß beantwortet man die oft gestellte Frage nach der Wirtschaftlichkeit eines Segways?

Juristenseminar

Juristenseminar bei Schal und Meyer
Testfahrt
Freigelände

Zu gern möchte ich wissen, ob Segways nun der Versicherungspflicht aus §1 PflVG unterliegen (wie Polizei und Staatsanwaltschaften behaupten) oder eben nicht (wie Versicherungen und BaFin meinen). Eins von beidem geht ja nur und ganz unbedeutend ist die Frage auch nicht, schließlich steht eine einjährige Haftstrafe auf dem Spiel. Bei anderen Fahrzeugen ohne allgemeine Betriebserlaubnis besteht die gleiche Problematik. So kommt es jährlich zu 16000 diesbezüglichen Strafverfahren (Quelle: Wikipedia).

Um die Sache endgültig zu klären, folge ich einer Einladung auf das "6.  Lübecker Juristenseminar" der Unfallsachverständigen Schal und Meyer. Vor etwa 100 Richtern, Staats- und Rechtsanwälten darf ich das ganze Segway-Dilemma ausbreiten. In meinem Vortrag zeige ich die Widersprüche auf  (Folien 9-11) und stelle die Kernfrage nach der Versicherungspflicht (Folie 15). Doch die Experten halten sich bedeckt. Weder auf der Veranstaltung noch nachträglich erhalte ich eine Antwort.

Wie kommt man zu einer verbindlichen Lösung? Ich sehe keine andere Möglichkeit und reiche im Februar 2007 Klage bei Gericht ein. Das Verfahren läuft.

Zulassung

Seit fünf Jahren hat die Politik Gelegenheit, die Zulassung des Segways zu regeln. Nun rührt sich was. Zwar noch keine bundeseinheitliche Regelung, die muss mit noch größerer Sorgfalt vorbereitet werden und ist deshalb vor dem 4. Quartal 2008 angeblich nicht zu erwarten, aber einzelne Bundesländer (Saarland, Hamburg, NRW und Bayern) begreifen sich als Technologievorreiter und haben Ausnahmeregelungen geschaffen. Jedes Land hat dabei eigene Vorschriften bzgl. erlaubter Verkehrsflächen (Straße, Fußweg, Radweg, innerorts, außerorts, verkehrsberuhigte Zone...) und erforderlicher Sicherheitsausstattung (Beleuchtung vorn, hinten und zur Seite, Klingel). Segnungen des Föderalismus, so können auf regionale Besonderheiten perfekt abgestimmte Lösungen umgesetzt werden. Im fortschrittlichen Bayern braucht man z.B. nur noch acht verschiedene Bescheinigungen und  € 120,-- Gebühren, um seinen Segway eingeschränkt betreiben zu dürfen. Am 14.8.07 spottete das ZDF heute-Journal über das Segway-Rechtschaos: "Deutschland ein Flickenteppich".

Ich mache die Probe aufs Exempel und beantrage eine Segway-Genehmigung für Hamburg. Als ich bei Herrn Kruse, dem zuständigen Sachgebietsleiter für Ausnahmegenehmigungen beim Landesbetrieb Verkehr, drei Wochen später nachfrage, erhalte ich folgende Auskünfte:
1) Für Fahrzeug-Zulassungen gelte das Wohnortprinzip. Seine Hamburger Behörde sei für Bürger aus Schleswig-Holstein nicht zuständig.
2) Sein Amt dürfe daher für mich überhaupt nicht tätig werden, auch nicht (wie dann von mir gewünscht) durch Ausstellen einer offiziellen Ablehnung mit Rechtsbehelfsbelehrung.
3) Er wird den Vorgang an die zuständige Stelle in Kiel abgeben, teilt aber meine Auffassung, dass er dort voraussichtlich im Papierkorb landet, da Schleswig-Holstein vorläufig keine Segway-Genehmigungen vergibt.
4) Inzwischen wurde der Verfahrensablauf für die Hamburger Genehmigungserteilung konkretisiert: Erforderlich sind ein Einzelgutachten (es sei noch unklar, wer das erstellt), eine Haftungsfreistellungserklärung, eine Haftpflichtversicherung sowie zusätzliche technische Sicherheitsvorkehrungen wie z.B. bestimmte Licht- und Klingelinstallationen...
5) Bisher wurde keine einzige Ausnahmegenehmigung erteilt. Er glaubt auch nicht, dass das bald geschehen könnte. Er empfiehlt das Abwarten der bundesweiten Zulassung.

Fazit: Die gefeierte Hamburg-Zulassung erweist sich als Luftnummer. Inzwischen liegt mein Vorgang beim Hamburger Innenministerium, von dort wurde Unterstützung signalisiert.

Baltikum

Segway auf offener Straße
Auf Streife mit dem Segway
Telefonsupport

Es geht auch anders. Bei einer Reise durch die baltischen Länder begegnen mir an einem einzigen Tag fünf Segways. Sie gehören dort selbstverständlich zum Straßenbild, niemand dreht sich mehr nach ihnen um. Zwei sind Polizeifahrzeuge, eines ist von Nokia. Kostenloser ad-hoc Handy-Support, jeder Passant kann den Nokia-Mitarbeiter direkt ansprechen. Bei kniffligen Fragen hält er Rücksprache mit seiner Zentrale. Das Angebot wird rege genutzt.

Der Händler im litauischen Vilnius ist vielfach präsent, ich sehe mehrere Segway-Plakate und seine Hochzeitskutschen überzeugen mich auch:

SuperSegway Shop in Vilnius Werbeplakat
Segway als Hochzeitskutsche

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