Navigation: Home => Ginger => Teil 5
Stand: 29.06.2006


Li-Ion Batterien

Endlich fahre ich mit den neuen Valence Lithium-Batterien, eine wirkliche Aufwertung meines HT. Neben Lebensdauer, Temperaturbereich (Betrieb bis -10°C) und niedrigem Innenwiderstand ist der wichtigste Vorteil die verdoppelte Reichweite. Letzte Woche schaffte ich trotz zügiger Fahrt und viel holperigem Sandweg 37,8 km. Das reicht für die allermeisten Fahrvorhaben. Ich empfinde nun eher das langsame Laden als Engpass. Jeder Kilometer Fahrt benötigt etwa 15 Minuten Ladedauer, ein kurzer Zwischenstop im Biergarten hilft für einen langen Rückweg also nur wenig. In zukünftigen Modellen wünsche ich mir lieber ein stärkeres Netzteil als noch schwerere und teurere Akkus.




Meine Batterien übertreffen sogar die Spezifikation. Da das Laden immer konstant mit 0,6 A erfolgt,  ist nach vollständigem Entladen die Dauer der anschließenden Schnell-Ladephase (LEDs dauergrün) ein guter Indikator für die Batteriekapazität. Geschädigte oder verbrauchte Akkus sind so ebenfalls leicht zu erkennen. Ich messe bei beiden Batterien knapp über 10 Stunden, die Kapazität liegt also bei etwa 10h x 0,6A = 6 Ah. Das ist 15% besser, als angegeben (5,2Ah). Meine NiMH-Batterien erreichten auch zu ihren besten Zeiten nie ganz die vorgesehenen 5h = 3 Ah.

So sehr ich mich auch über die Batterien freue, deren Beschaffung war wieder eine ärgerliche Odyssee. Im November 2004 kündigt Segway Inc. die Aufrüstbarkeit an. Im März 2005 antwortet Segway Österreich mir vielversprechend:  "Sobald die neuen Lithium Batterien in Europa erhältlich sein werden (wir rechnen mit spätestens Anfang Juni 2005) werden wir auch Software-Upgrades vornehmen können... Sie stehen quasi ganz oben auf der Liste... Ich verspreche, sobald ich weiss, wie, was, wann & wo werde ich mich melden." Die Realität sieht anders aus. Die versprochene Rückmeldung bleibt aus, eine Nachfrage im November 2005 unbeantwortet. Etliche europäische Anwender äußern ihre Enttäuschung über die Verzögerungen und die schlechte Informationspolitik. Als für uns im Januar 2006 immer noch keine Lösung sichtbar ist, kaufe ich die Batterien bei einem Händler in den USA. Für das unumgängliche Software-Update (10.0 => 14.1) schicke ich die Plattform über den Atlantik.

Das ist zwar umständlich, klappt aber reibungslos. Und das ganze kostet trotz Fracht, Zoll und EUSt weniger als bei den gepfefferten Preisen der autorisierten deutschen Vertriebspartner.

Unlocated Fault

Die Freude über den hinzugewonnenen Aktionsradius währt nur kurz. Nach drei Tagen erlebe ich mein erstes technisches Segway-Problem. Beim Einschalten mit dem Schlüssel hört man vier Warntöne, das Display zeigt "unlocated fault" und nach 10 Sekunden schaltet sich der Segway aus.

Anderer Schlüssel, Rücktausch der Batterien, Austausch des Lenkers oder des Netzteiles, alles vergeblich, der Fehler bleibt. Herr Reitmayer aus Moisburg besitzt alle Einzelteile und unterstützt mich kompetent beim Einkreisen des Fehlers. Zum Schluss ist klar, es handelt sich um ein Problem in der Plattform. Das führt mich erstmalig bis ins Innere meines HT.


Weder Feuchtigkeit noch Korrosion, keine durchgebrannten Bauteile oder Sicherungen - ohne Service-Manual und Diagnose-Tools kann ich nicht weiterkommen. Da muss ein Fachmann ran. Segway Deutschland beantwortet mein Hilfeersuchen jedoch zunächst nicht, entschuldigt sich später mit technischen Problemen ihres Mail-Servers. Der Händler in den USA ist mit Plattform-Fehlern ebenfalls überfordert, verweist auf die Service-Abteilung des Herstellers in Bedford. Dort erlebe ich Personalengpässe und Reparatur-Rückstau. Mail-Antworten dauern eine ganze Woche. Sie bestehen dann aus Vertröstungen statt Problemlösungen ("...apologize that I did not respond sooner.  I am working to see what can be done...") und sind überhaupt wenig erbaulich ("... since the unit is out of warranty, the power base would be approximately $3000.00 plus shipping charges...").

Ich bin schon ziemlich sauer gefahren als sich Reinhold Eder (GF Segway Deutschland) doch noch erbarmt und den Kontakt zu Emanuele Giunta in Italien herstellt ("European Segway Service Center", besteht aber wohl nur aus Herrn Giunta). Dorthin schicke ich dann meine Plattform. Herr Giunta setzt mit spezieller Software einfach die Fehlerbedingung zurück und schon durchläuft das Gerät alle Diagnose-Programme fehlerfrei, kein Ersatzteil erforderlich, kaum Reparaturkosten. Nach sechs Wochen Fahrzeugstillstand und Dutzenden von Mails im Kompetenz-Wirrwarr das Happy-End.

Segway Inc. bietet einmalige, hochinnovative Fahrzeugtechnik, entwickelt und gebaut nach allerhöchsten Qualitäts- und Sicheitsstandards. Das sichert der Firma einen begeisterten Kundenstamm und meine besondere Anerkennung. Jedoch besteht nach meinem Eindruck in Service, Vertrieb und Marketing noch eine Menge Spielraum für Verbesserungen.

Versicherungschaos

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftpflichtversicherung als unbedingte Voraussetzung für Segway-Fahrten im öffentlichen Verkehr, anderenfalls droht eine Strafverfolgung gemäß §6 PflVG und damit bis zu einem Jahr Haft. Versicherungen lehnen es aber in aller Regel ab, Segways unter Vertrag zu nehmen. Und das trotz des  Kontrahierungszwanges aus §5(2) PflVG, der sie verpflichtet, praktisch jedem KFZ-Halter Versicherungsschutz zu gewähren. Juristisch greift hier sogar die Annahmefiktion, d.h. unberechtigt abgelehnte Verkehrsteilnehmer geniessen trotzdem vollen Versicherungsschutz.

Aber soll ich einem Polizisten bei der Verkehrskontrolle wirklich erklären, dass ich keinen Versicherungsschein benötige, weil mein Versicherungsverhältnis in der Annahmefiktion begründet ist, die aus einer dem Kontrahierungszwang widersprechenden Ablehnung des Versicherers resultiert? Ich fürchte, meine Einweisung in die Psychiatrie oder Ausnüchterungszelle stünde bevor.

Also insistiere ich weiter auf einem ordnungsgemässen Vertrag und bitte die Provinzial AG ersatzweise wenigstens die gesetzliche Grundlage zu benennen, die sie ihrer Meinung nach vom Kontrahierungszwang befreit. Als deren Rechtsabteilung nach mehrfachem Schriftwechsel mit ausweichenden Antworten erklärt "das steht nirgends, das ist unsere Auslegung", reicht es mir. Ich beschwere mich bei der Aufsichtsbehörde für Versicherungen, der BaFin.

Der Antwort der BaFin-Juristen entnehme ich staunend, dass Segways überhaupt keiner Versicherungspflicht unterliegen. Segway-Fahrten auf Lübecker Straßen und im europäischen Ausland stellen keine Verwendung des Fahrzeuges auf öffentlichen Wegen und Plätzen dar (im Sinne von §1 PflVG)!? Da wäre ich alleine wirklich nicht drauf gekommen. Die Strafanzeige gegen mich war also nur törichtes Agieren von Polizei und Staatsanwaltschaft auf rechtlich unhaltbarer Grundlage?

Wie auch immer, falls die Auffassung der BaFin zutrifft und Segways keiner Versicherungspflicht unterliegen, scheidet eine Strafverfolgung  aus (§6 PflVG ist auf §1 rückbezogen). Falls nicht, besitzen alle abgelehnten Segway-Halter das notwendige Versicherungsverhältnis aufgrund der Annahmefiktion. Die Versicherungsfrage ist in jedem Fall gelöst.

Trotz alledem freue ich mich über meine Segway-Versicherung von der Provinzial AG. Und glaube, in Absurdistan zu leben.
 

Ausblick

Am Wochenende startet das erste Europäische Anwender-Treffen me & my segway in Steyr. Ich habe leider keine Zeit teilzunehmen, daher auf diesem Wege meine herzlichen Happy-Gliding-Wünsche an alle dortigen Segway-Enthusiasten.

Nach 15 Monaten Ruhe wird es Zeit für neue Segway-Modelle. Ich bin gespannt, was wir sehen werden. Tweels am Segway? Oder statt des Drehgriffes eine Lenkung durch seitliche Gewichtsverlagerung? (Siehe Dean Kamens Patentanmeldung  US2004/0069543, Anspruch 7: "turning of the transporter is controlled by laterally shifting the position of the center of gravity of the loaded support platform")

Längst überfällig ist eine verkehrsrechtliche Regelung der Segway-Nutzung durch den deutschen Gesetzgeber. In den meisten Nachbarländern ist dies bereits geschehen. Ein 100seitiges Gutachten der TU Kaiserslautern von André Darmochwal unter Leitung von Prof. Topp entkräftet Punkt für Punkt die Sicherheitsbedenken und kommt zu dem Ergebnis, dass Segways ungefährlicher sind als Fahrräder. Selbst Politiker sind inzwischen überzeugt. Und Hamburg hat als erstes Bundesland eine Ausnahmegenehmigung für die Segway Citytour erteilt. Gratulation an alle, die dazu beigetragen haben!

Zurück zu Teil 4   Zurück zur Übersicht   Weiter mit Teil 6